Stellungnahme von Bürgermeister Jan Hambach und Erstem Beigeordneten Stefan Kegreiß zur Situation in Freiberg am Neckar
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg (neben dem Städtetag und dem Landkreistag die politische Vertretung der Städte, Gemeinden und Landkreise in BW), beschreibt in seinem Bürgerbrief, der auch in dieser Ausgabe der Freiberger Nachrichten veröffentlicht ist, die Lage vieler Städte und Gemeinden ungeschönt und zugleich treffend.
Was er für das Land insgesamt formuliert, spüren wir auch hier in Freiberg am Neckar: Die
finanziellen Spielräume werden enger, die Anforderungen zugleich größer.
Unser Haushalt ist angespannt. So sehr, dass wir in den kommenden Jahren nicht alle Vorhaben, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben, realisieren können. Das schmerzt, denn viele dieser Projekte sind wichtig für die Weiterentwicklung unserer Stadt. Gleichzeitig müssen wir ehrlich sein. Wir können nicht alles sofort umsetzen, was wünschenswert wäre und müssen gewohnte Standards und Leistungen reduzieren.
Eine einseitige Antwort, die nur auf Sparen und das Streichen von Projekten setzt, wäre jedoch kurzsichtig. Wenn wir ausschließlich den Rotstift ansetzen, riskieren wir, Freiberg seiner Lebendigkeit, Attraktivität und Zukunftsfähigkeit zu berauben. Denn eine Stadt lebt von dem, was Menschen zusammenführt, Heimat schafft und muss Perspektiven für die Zukunft aufzeigen.
Unser Ziel bleibt deshalb zweifach: Einerseits ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzen erforderlich, ebenso das ständige Verbessern von Verwaltungsabläufen sowie das Nutzen von Ermessensspielräumen. Andererseits müssen wir klug investieren. In die Bildung unserer Kinder, in eine umweltschonende Energieversorgung, ein lebendiges Zentrum, digitale Prozesse, in die Schaffung von Wohnraum und in den Erhalt unserer Infrastruktur. Ebenso wichtig sind jene Bereiche, die unsere Stadtgesellschaft zusammenhalten, gerade in herausfordernden Zeiten.
Sparen müssen wir – das ist unvermeidlich und das wird auch im Alltag spürbar sein. Wir werden dies aber mit Augenmaß tun. Dazu werden wir in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem Gemeinderat über konkrete Maßnahmen sprechen und ein Sparpaket vorlegen, das an die bereits erfolgte Konsolidierung unseres städtischen Haushalts sowie die laufenden Einsparungen anknüpft. Wir werden hierfür alle Bereiche genau prüfen, abwägen und Prioritäten setzen. Zudem werden wir gegenüber Land und Bund weiter auf eine ausreichende finanzielle Ausstattung für die an uns übertragenen Aufgaben pochen.
Wir wollen mit dem Bürgerbrief und unserer Stellungnahme auf die momentane Situation aufmerksam machen und gleichzeitig Mut machen. Wir sind eine starke Stadt, in der an vielen Stellen Verantwortung übernommen wird: in Gemeinderat und Verwaltung, in den Unternehmen und im Ehrenamt. Wir sind überzeugt davon, dass wir die Kraft aufbringen können die anstehenden Herausforderungen zu meistern, wenn wir uns nicht auseinander dividieren lassen, gemeinsame Anstrengungen übernehmen, das Allgemeinwohl statt Einzelinteressen in den Vordergrund stellen und prüfen, wo wir uns für andere einbringen können.
Freiberg am Neckar soll auch in Zukunft eine Stadt sein, in der man gerne lebt, arbeitet, seine Kinder großzieht, sich im Verein engagiert, Feste feiert und seine Freizeit gestaltet. Eine Stadt, die Kraft und Identität aus ihrem Miteinander schöpft. Eine Stadt, die trotz aller finanziellen Disziplin Türen für neue Ideen, mutige Projekte und gelebte Solidarität offenhält.
Auf diesem Weg wollen wir auch in herausfordernden Jahren Kurs halten: verantwortungsbewusst, aber nicht mutlos; realistisch, aber nicht ohne Zuversicht. Unser Anspruch ist es, Freiberg so zu gestalten, dass es auch morgen und übermorgen stark bleibt.
Ihr
Jan Hambach und Stefan Kegreiß
Bürgermeister und Erster Beigeordneter
Brief an die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg zum Tag der Deutschen Einheit 2025
Stuttgart im September 2025
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,
mein Name ist Steffen Jäger, und ich bin Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg – der Stimme von 1.065 Städten und Gemeinden. Heute will ich mich auf ungewöhnliche Weise direkt an Sie wenden: nicht nur als Funktions-träger, sondern als Demokrat, als Bürger dieses Landes.
Denn die Lage ist ernst. Das spüren die Städte und Gemeinden. Das spüren Sie. Das spüren wir alle.
Der Krieg in der Ukraine führt uns schmerzhaft vor Augen: Frieden in Europa ist keine Selbst-verständlichkeit. Gleichzeitig verschieben sich globale Machtverhältnisse. Die USA distanzie-ren sich – wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass andere unsere Verteidigung übernehmen. Wir sind selbst gefordert. Wir müssen selbst Verantwortung tragen.
Gleichzeitig geraten wir wirtschaftlich unter Druck. Zwei Jahre Rezession, Standortverlagerun-gen, wachsender internationaler Wettbewerbsdruck: Unsere Volkswirtschaft hat an Schwung verloren. Wirtschaftliche Stärke ist aber das Fundament für das, was unser Gemeinwesen ausmacht: ein funktionierender Sozialstaat, ein handlungsfähiger Rechtsstaat, eine lebendige Demokratie. Diese Demokratie lebt in unseren Städten und Gemeinden. Hier wird im Schulterschluss zwi-schen Rathaus und Bürgern die Grundlage für das Gelingen unseres Staates gelegt.
Straßen, Brücken, Wasserversorgung, Kitas, Schulen, Feuerwehr, Sport- und Kulturstätten, Vereinsförderung und vieles mehr. Daseinsvorsorge und das gesellschaftliche Zusammenleben sind ohne handlungsfähige Kommunen nicht möglich.
Was droht, wenn wir nicht handeln.
Die Kommunen sind damit das Rückgrat eines gelingenden Staates. Doch ihre Handlungsfä-higkeit ist gefährdet. Die Kommunalfinanzen sind in einer solch dramatischen Schieflage, dass bereits die Erfüllung der Pflichtaufgaben kaum mehr möglich ist. Konkret heißt das: Die Sanierung der Sporthalle, des Kindergartens oder der Schule fallen aus. Investitionen in Klimaschutz oder Klimawandelanpassung werden gestrichen. Die Nut-zungsgebühren steigen, die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer reichen nicht mehr aus. Frei- und Hallenbäder lassen sich nicht mehr halten, die Vereinsförderung kommt auf den Prüfstand, Öffnungszeiten in Kitas oder auch der Bibliothek müssen reduziert werden.
Keine dieser Maßnahmen will ein Kommunalpolitiker beschließen – doch vielerorts werden sie unvermeidlich.
Geld allein wird dies jedoch nicht lösen. Denn was wir erleben, ist nicht nur eine finanzielle Überlastung – es ist ein strukturelles Problem. Der Staat lebt über seine Verhältnisse – und das seit Jahren.
Die Summe an staatlichen Leistungszusagen, Standards, Versprechen hat ein Maß erreicht, das mit den verfügbaren Ressourcen nicht mehr erfüllbar ist.
Es braucht deshalb eine mutige Reform – strukturell und gesamtstaatlich
Deshalb sind wir als Gesellschaft gefordert, eine strukturelle Antwort zu geben. Wir brauchen eine ehrliche, gesamtstaatliche Reform. Das heißt: weniger Einzelfallgerechtigkeit und mehr Eigenverantwortung. Wir brauchen eine Aufgaben- und Standardkritik, die den Mut hat, Prio-ritäten zu setzen. Und wir brauchen die Bereitschaft, neu zu fragen: Was kann und muss der Staat leisten – und was kann er nicht mehr leisten, ohne sich selbst zu überfordern?
93 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg fordern eine konsequente Reform in diesem Sinne.
Doch auch wir als Gesellschaft müssen bereit sein, eine solche Reform mitzugehen. Wir müs-sen beitragen – nicht nur erwarten. Wir müssen vertrauen – in unseren Gemeinsinn, seine Werte und unsere Kraft des Füreinanders. Wir müssen bereit sein, mehr zu leisten – für den Staat, für die Gemeinschaft, für das Gelingen unserer freiheitlichen Demokratie.
Demokratie ist kein Bestellshop – sie ist die Einladung an alle, sich mit ganzer Kraft für eine freiheitliche und wohlständige Gesellschaft einzubringen. Und deshalb kann Demokratie auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn wir alle unseren Beitrag dazu leisten.
Wir brauchen auch Ehrlichkeit in der Migrationspolitik. Integration gelingt dann, wenn die Zu-gangszahlen beherrschbar und auch Mitwirkung und Rückführung ein wirksamer Teil des Sys-tems sind. Wer zu uns kommt, muss unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte achten. Und er oder sie muss auch zum Gelingen von Gesellschaft und Volkswirtschaft beitragen. Eine erfolgreiche und akzeptierte Migrationspolitik muss dies leisten. Dies aber immer auf der Grundlage von Humanität und Verantwortung. Menschenverächter haben keine Lösungen, sie haben nur Propaganda. Wir Demokraten müssen beweisen, dass wir es besser können.
Und auch beim Klimaschutz gilt: Wir können als Deutschland nur erfolgreich sein, wenn unser Weg für andere Staaten ein Vorbild ist – klar im Ziel, ökologisch wirksam, ökonomisch tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert.
Das Grundgesetz als unser gemeinsames Fundament
Unser Grundgesetz war nie als Schönwetterordnung gedacht. Es wurde formuliert in einer Zeit, in der unser Land moralisch, politisch und wirtschaftlich in Trümmern lag. Es ist eine der größ-ten Wohltaten, die unser Land je erfahren hat. Und es verpflichtet uns: zur Selbstverwaltung, zur Verantwortung, zur Teilhabe. Zur res publica – zur gemeinsamen Sache.
Die Gemeinden sind der Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind.
Es gilt, diese Wirklichkeit anzuerkennen und aus der Krise den Mut zur Erneuerung zu schöpfen.
Und deshalb möchte ich dafür werben: machen wir uns bewusst, was unser Staat, was unsere Demokratie zum Gelingen braucht.
Und dazu gehört zuallererst eine neue Ehrlichkeit und ein nüchterner Realismus: Wir stehen vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Als Vertreter der Kommunen sagen wir Ihnen die Wahrheit: dies wird uns allen etwas abverlangen.
Ich bin aber davon überzeugt, wir können das meistern; Gemeinsam, mit Mut und Willen.
Mit einer Haltung, die nicht fragt, was andere tun, sondern, was wir selbst beitragen können. Die Bereitschaft, auch dann standhaft zu bleiben, wenn es unbequem wird. Die Chance, dass wir alle auch künftig in einem lebendigen und freien Land leben dürfen, muss uns Ansporn sein.
Und daher meine Bitte: Machen Sie mit. Für unsere Kinder. Für unser Land. Für unsere De-mokratie. Für uns.
In Verantwortung und Verbundenheit,
Ihr
Steffen Jäger